Ing. Eduard Horvath


Der Jazztrompeter.

Eine tragische Miniatur aus der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Der Tod des Leon Bismarck ("Bix") Beiderbecke am 7.8.1931 in New York-Long Island(N.Y.) bestimmt die Fakten. Bix war am 10.3.1903 in Davenport (Iowa) geboren und bis kurz vor seinen Tod im Jazz als Kornettist ein bedeutender Vertreter des Chicago-Stils, an dessen Umwandlung in den Swing Stil er beteiligt war. Bix war bei seinen Kollegen sehr beliebt, auch unter den Schwarzen, er hatte wahre Freunde, die einander auch Kompositionen widmeten. Einer, der ihn noch im Sterben begleitete, war Hoagy Carmichael, Komponist des berühmten "Stardust", der widmete Bix u.a. "Riverboat Shuffle" (ursprünglich "Free Wheeling"). Bix nahm ein tragisches Ende beim Alkoholentzug, 28 Jahre jung.

Im Jahr 1938 bringt Dorothy Baker einen Schlüsselroman unter dem Titel "Young man with a horn" heraus, in dessen Handlung unschwer das Leben von Bix Beiderbecke zu erkennen ist (Deutsch 1949 als "Der Jazztrompeter", 1961 als "Verklungene Trompete"). Folgende Gestalten sind als historisch zu erkennen: Rick Martin - Bix Beiderbecke, Smoke Jordan - Hoagland Howard ("Hoagy") Carmichael, Phil Morrison - Jean Goldkette (alle weißer Hautfarbe).

Baker beschreibt den besten Freund Smoke aber als Neger und eröffnet das erste Kapitel ihres Buches wörtlich mit dem Satz: "Vielleicht hätte er sich vor allem nie mit Negern einlassen sollen ... dadurch wurde er hitzig und undiszipliniert". Unter dieses tendenziöse Verdikt fallen insbesondere auch Louis Armstrong, Blind Willie Dunn, King Oliver, Jack Teagarden und letztlich auch Hoagy Carmichael, obwohl der ein Weißer war.

Man kann nur vermuten, was das Motiv für eine derart gehässige Einstellung gewesen sein konnte, was der Anlaß für ein 250 Seiten langes Buch wurde, dessen zweiter Satz in der Einleitung lautet: "Eigentlich gibt es ja nicht viel zu berichten". Eine Vermutung betrifft ein denkbares Gerede in der damaligen Gesellschaft, wonach der Untergang jener außergewöhnlichen Musikbegabung der unglücklichen Ehe des Bix zuzuschreiben gewesen wäre.

Es ist unmöglich sich vorzustellen, daß die Freunde des Bix die Erklärung der Baker für die Tragik seines Lebens widerspruchslos akzeptieren hätten können. Es ist dies überhaupt ein solch weitreichender genereller Untergriff, daß es demgegenüber sehr leicht vorstellbar und vielmehr sehr wahrscheinlich ist, daß der Film "Young man with a horn" als Richtigstellung an und für sich und als Rehabilitierung der Schwarzen Musiker mittels authentischer Zeugen entworfen und gestaltet wurde (Nobody knows the trouble I've seen). 1949 erwarben Warner Bros. das Copyright an einem Film, dessen Inhalt die Erzählung des Lebens von Bix Beiderbecke aus der Sicht seines engsten Freundes Hoagy Carmichael ist, der in persona diese Figur darstellt. Tatsächlich schildert dieser Film in wichtigen Einzelheiten das genaue Gegenteil des Buches. Es ist aber nicht vorstellbar, daß jemand unbeabsichtigt einen Film macht, unter der Ankündigung "From the Novel by Dorothy Baker", und das krasse Gegenteil zeigt. Auch der gewählte Habitus der Figur des schwarzen Lehrers ist nicht "hitzig und undiszipliniert", sondern betont kühl und intellektuell. Ansonst konnten für die Inszenierung die besten der damals bekannten Kräfte gewonnen werden, hervorragende Musiken wurden für diesen Film komponiert, der zu dieser Zeit beste Interpret der Weißen, Harry James, spielte den kompletten brillanten Trompetenpart mit der noblen Zurückhaltung, im Vorspann des Filmes lediglich als "Musical Adviser" zu erscheinen. Der Film erzählt, daß die Ursache des Niederganges bei Bix'ens Ehefrau zu suchen ist und zwischen weißen und schwarzen Musikern bis in den Tod wahre Freundschaften bestanden haben.

Dorothy Baker hingegen meint über diese Ehefrau: "Es ist schwer zu sagen, was sie bei seinem Tode empfand" - mehr nicht. Dies ist einerseits Offenbarung, andererseits wohl die biographische Tarnung einer Eingeweihten, die die wahren Zusammenhänge verschleiern möchte. Von der Kompetenz der Dorothy Baker, über die musikalische Szene zu urteilen, mache man sich ein Bild mittels der Lektüre der beiliegenden Einleitung ihres Buches.

Damit beginnt die Tragödie des Filmes. Der Schock, den die wahre Darstellung der Geschichte bei den Verantwortlichen und den beurteilenden Kritikern bei der Erstvorführung auslöste war so groß, daß die ursprüngliche Fassung nicht gezeigt werden durfte, vielmehr mußte statt des tragischen Schlusses eine neue positivistische Aussage gedreht werden. Man spürt den dadurch ausgelösten Handlungsbruch am Ende deutlich. Jedenfalls wurde der Film nur in der Re-Release Fassung gezeigt, ab 1951 in Deutsch unter dem Titel "Der Jazztrompeter".

Hoagy Carmichael, damals 50 Jahre alt, wird mit der Änderung wenig Freude gehabt haben, aber er machte noch sichtbar gute Miene dabei. Es wäre zu hoffen, daß er das, was mit dem Film dann später in Deutschland geschah, nie erfah-ren hat. Dort hat man alle Scenen entfernt, die das Negativimage der Figur der Ehefrau bildeten, dem Film eine Tendenz vom unwürdigen Ehemann gegeben und ihn mit dem zynischen Titel überschrieben: "Der Mann ihrer Träume".

Reprisen kommen nicht vor, die wunderbaren Musiktitel, um einige zu nennen: Melancholy Rhapsody, Moanin' Low, Man with a horn, Get Happy, Love for Sale, With a Song in My Heart, The Very Thought of You - sie sind verschollen. Studiert man die internationalen Titel und Plattenkataloge, so findet man ein reiches Angebot von Beiderbecke Aufnahmen, demgegenüber endet die Suche nach der Filmmusik bislang paranoid: man gewinnt den Eindruck, als wären alle Spuren verwischt. Dez. 1995 Ed. Horvath

Dez. 1995 Ed. Horvath