JARGON UND STAAT
DIE AUCHACHTUNDSECHZIGER
Ein Mediendrama in einem Akt
nach Tonbandprotokollen
von Wilhelm Edlich
Handelnde Personen:
Walter Ulbricht, Vorsitzender des Staatsrates der DDR ein Historiker
Karl Eduard von Schnitzler, DDR- Fernsehkommentator ein Arzt
Günther Herlt, DDR- Fernsehkommentator ein Patriot
Nachrichtensprecher des DDR- Fernsehens Passanten
Reporter des DDR- Fernsehens Zeitzeugen
Kommentatoren ein älterer Jungmann
Parteisekretäre BRD Journalisten
Parteigenossen BRD Kommentatoren
Antifaschisten CSSR Journalisten
alte Kämpfer Passanten in Berlin
ein Kommandeur Passanten in Prag
ein Reservist ein Bänkelsänger
ein Jungpionier ein Ansager
Zum Inhalt:
Zwei Zeitgenossen, eine Tschechin und ein Besserwisser, beobachten vor dem Fernsehschirm die Zeitgeschichte in Ost-Berlin des Jahres 1968, sie sehen und hören, wie in der Idylle gesprochen, gedacht und berichtet wird. Sie erleben, wie der Einmarsch in die Tschechoslowakei vorbereitet, durchgeführt, begründet und gefeiert wird. Selbst die grellsten Erfindungen darin, sind keine.
11. 97
Der Akt.
1968, in einer Berliner Wohnung, leben eine Tschechin und ein Besserwisser. Sie haben, ohne das zu wissen, nichts weiter vor, als die wichtigsten Ereignisse dieses Jahres im Fernsehen zu erleben.
1. Szene
Im Wohnzimmer, in dem an prominenter Stelle ein großes, etwas betagt erscheinendes Fernsehgerät steht, unterhalten sich die Zeitgenossen flüsternd über Verschiedenes, nach einiger Zeit erhebt sich der Besserwisser in der erklärten Absicht, die Wohnung zu verlassen, um die Lebensmittel aufzufüllen.
die Tschechin:
"Wenn nicht kommst viere zu die Nachrichten, na schau dich an".
2. Szene
Es ist 16 Uhr, die beiden sitzen vor dem Bildschirm und betrachten eine
Reportage aus Berlin, Karl Marx Allee.
Auf einer kleinen Tribüne, über den ringsum Stehenden, der
Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht, mit Kinnbart und Brille, davor eine
Ehrenkompanie der Volksarmee in Stahlhelmen, eine große Zuschauermenge
umsäumt die Straße.
der Kommandeur der Ehrenkompanie (soldatisch laut): "Die Augen auf, die Augen links!"
ein Reporter:
"Es erfolgt die Meldung des Kommandeurs der Ehrenkompanie."
laute Marschmusik im Hintergrund
der Kommandeur (spricht, als ob er vorlesen würde):
"An den Vorsitzenden des Staatsrates:
Anläßlich Ihres kommenden Geburtstages ist eine Ehrenkompanie des
Wachregiments angetreten.
Die Losung des Tages:
Unserem Vorsitzenden des Staatsrates, Genossen Walter Ulbricht, alles
Liebe, beste Gesundheit und Wohlergehen, zum Wohle der Deutschen
Demokratischen Republik. Kommandeur der Ehrenkompanie Heiner Wegner."
Marschmusik
der Reporter (leise):
"In der Begleitung von Walter Ulbricht sehen wir seine Frau Lotte Ulbricht,
der Sekretär des Staatsrates
Otto Gotsche begrüßt den Jubilar."
der Reporter (in getragenem Tonfall):
"Erfüllt vom Geist des Marxismus Leninismus, geformt von der Partei und
sie selbst formend, ausgerüstet mit den Erfahrungen des Kampfes der
deutschen und internationalen Arbeiterbewegung, in zwei Epochen
gesellschaftlicher Entwicklung, ist Walter Ulbricht heute der hervorragende
Führer der Deutschen Arbeiterklasse, ist er der Deutsche Politiker, von dem
selbst die bürgerlichen Chronisten verzeichnen, er sei der erfolgreichste
in diesem Jahrhundert. Er, der unbestritten erfahrendste, sozialistische
deutsche Staatsmann und größte lebende deutsche Marxist- Leninist."
der Kommandeur (undeutlich aus dem Hintergrund, in stark sächsischem
Akzent):
"und nun, dem Vorsitzenden des Staatsrates ein dreifaches:"
die Abteilung im Chor (zackig):
"Hurra, Hurra, Hurra."
Applaus aus der Menge.
der Reporter (gedämpft):
"Nun werden gleich die Jüngsten unter den Gratulanten zu Wort kommen."
Applaus aus der Menge.
ein Jungpionier (mit kindlicher Stimme, in reinem hochdeutsch): "Möchte dem Genossen Ulbricht zum Geburtstag gratulieren, soll ich eine Karte schreiben und mit einem Bildchen zieren, oder soll ich ihm geloben gute Noten heimzubringen, soll ich, wenn sie mich dort nehmen mit im Chor der Schule singen, soll ich nach den Nachbarskindern, deren Mutter krank ist schauen, oder für die Grenzsoldaten einen Werkzeugkasten bauen, soll ich mich zur Gartenarbeit wie der Klaus freiwillig melden, oder auf der Liste sammeln für Vietnams tapfere Helden, etwas nützliches zu machen soll ein jeder sich befleißen, weil wir schließlich nicht zum Spaße junge Pioniere heißen.
Lieber Genosse Walter Ulbricht,
mit diesem Gedicht möchte ich Ihnen zu Ihrem Geburtstag die herzlichsten
Glückwünsche aller Pioniere unserer Republik überbringen. Wir möchten Ihnen
dafür danken, daß Sie sich immer um uns Kinder und unser Glück in der
Zukunft sorgen. Ich heiße Michael Kurt, jetzt gehe ich in die dritte Klasse
und bin noch Jungpionier, aber bald komme ich in die vierte Klasse, ich
verspreche Ihnen ein guter Tellman-Pionier zu werden und immer gut zu
lernen. Meine Freunde haben mir dieses Foto gegeben, ich soll es Ihnen zum
Andenken an den heutigen Tag schenken. Wir haben auch alle unsere
Unterschriften daraufgeschrieben."
Heiterkeit in der Menge
der Reporter (gedämpft):
"Der Michael Kurt, der eben diese Glückwünsche ausgesprochen hat, ist ein
besonders guter Schüler, er hat sich ausgezeichnet durch hervorragende
Leistungen in allen Fächern, er ist als Jungpionier aktiv und erhielt im
kulturellen Leistungsvergleich das Prädikat ausgezeichnet."
Applaus aus der Menge.
3. Szene
Im Abendmagazin des DDR-Fernsehens.
der Besserwisser zur Tschechin: "Aber das hat der doch damals auch schon gesagt, der Göbbels:
"Wie an der Spitze des Deutschen Volkes sein größter Staatsmann
steht.""
Ein weiterer Beitrag im Abendmagazin mit einer Reportage von der
Blumenmesse in Erfurt.
ein Parteisekretär:
"Wir, äh, müssen über, äh, bestimmte Leistungssteigerungen, die bei uns,
äh, also in unserem Rahmen möglich sind, äh, dahin kommen, daß sie die
Ernährung verbessern, wir haben dazu, äh, starke, äh, kooperative
Bestrebungen angebahnt, ich habe im Frühjahr einen Kooperationsvorschlag
vorgelegt, um, äh, in der Zusammenarbeit mit dem volkseigenen Sektor und
dem halbstaatlichen, äh, ein Ganzes zu schaffen, und ich glaube, daß wir
dadurch doch wesentliche Steigerungen herausbekommen. Wir arbeiten
außerdem, äh, in guter, äh, Koordinierung mit dem Institut für
Pflanzenzucht in Quedlinburg und also alle halbstaatlichen Betriebe
zusammen, und haben dort einen, äh, konstruktiven Plan entwickelt, der, äh,
die Wissenschaft in Verbindung mir der Praxis, äh, bringen soll, damit wir
die Erkenntnisse der Wissenschaft gleichzeitich verarbeiten können bei
unserer praktischen Pflanzenzucht. Das ist ungefähr die Vorstellung, die
ich, äh, in meinem Kooperationsplan entwickelt habe."
Ulbricht (krächzend): "Ich sage dies zu Fragen der Arbeitskultur, Arbeitskultur, auf dem Gebiet der,
dieser Arbeitskultur, sind wir etwas zurückgeblieben."
ein anderer Parteisekretär: "Genosse Vorsitzender des Staatsrates, darf ich Ihnen vielleicht noch den
Vertreter des halbstaatlichen Betriebs Heinemann vorstellen, Herr
Schlosser,"
Ulbricht: "Sie sind also,"
Schlosser (in sächsischem Akzent): "Heinemann 120 Jahre,"
Ulbricht: "dann sind Sie also 120 Jahre alt,"
Schlosser: "und das ist Herr Hage aus Quedlinburg,"
Ulbricht: "aha, Quedlinburg, und Sie sind 100 Jahre?"
Hage: "einhundertein Jahr,"
die Umstehenden: "Ha, Ha, Ha, Ha, Ha"
Ulbricht: "dies ist Tradition,"
Schlosser: "ja, ja, ja,"
Ulbricht: "- sehen Sie, ich bin ja ein alter Erfurter, ja,"
Schlosser: "ja, das ist mir bekannt,"
Ulbricht: "also ja- , äh- , in dieser Schönheit hat sich also die Blumenzucht von Erfurt noch nicht repräsentiert, wie
dieses Jahr."
Schlosser: "ist wirklich so, jawoll, jawoll, stimmt so, richtich, sehr richtich, sehr richtich, ja,"
Ulbricht: "als ich 1921 hierherkam und anfing,"
Schlosser: "da war die Cyriaksburg ein trauriger Trümmerhaufen,"
Ulbricht: "ja, ja, die Stadt hat sich entwickelt, die Blumenzucht hat sich entwickelt, ja, volkseigene
Gärtnereien, die staatsbeteiligten Betriebe haben sich gut entwickelt, na sehen Sie, Sie machen
doch unter unserem Sozialismus gute Geschäfte!"
Schlosser: "ja wir sind zufrieden."
Heiterkeit, die Menge laut und durcheinander: "Ha, Ha, Ha, Ha"
der Besserwisser zur Tschechin: "Erfurt ist für die Blumenzucht schon sehr
sehr lange berühmt."
4. Szene
Aus dem Politmagazin:
ein Nachrichtensprecher:
"Ein Konzentrationslager für Kinder ist von Bonn in Südvietnam finanziert
und eingerichtet worden, dies enthüllt die Düsseldorfer Deutsche
Volkszeitung in ihrer jüngsten Ausgabe."
ein anderer Nachrichtensprecher:
"Das Komitee zum Schutze der Menschenrechte klagt angesichts dieses
Tatbestandes die Regierung der Westdeutschen Bundesrepublik an, Artikel 2,
Absatz 4 der Charta der vereinten Nationen, Artikel 6 des Londoner Statuts
des internationalen Militärtribunals und die Rechtspflichten des Potsdamer
Abkommens gröblichst zu verletzen. Es ist unseres Erachtens daher
erforderlich, die westdeutsche Regierung zu zwingen, und zwar durch die
europäischen Völker, aber vor allen Dingen durch alle friedlichen Kräfte in
Westdeutschland , Sinn und Wortlaut der Resolution von Teheran zu erfüllen.
Das heißt: die Renazifizierung im westdeutschen Staat und in der Politik
der Bonner Regierung ein Ende zu setzen, das Selbstbestimmungsrecht und die
Menschenrechte der westdeutschen Bevölkerung wiederherzustellen, und die
Notstandsgesetze außer Kraft zu setzen."
wieder ein anderer Nachrichtensprecher: "Der Bonner Kriegsminister Schröder begann heute in den USA militärpolitische Gespräche mit Kriegsminister Clifford und Außenminister Rusk. Die Prawda stellt diesen, wie sie schreibt, verdachterregenden Besuch Schröders in Zusammenhang mit der Aktivierung der subversiven Tätigkeit der Nato gegen die sozialistischen Länder."
ein Reporter interviewt eine junge Frau: "Gerade nach unseren Erfahrungen mit Ungarn 1956 beunruhigt mich das persönlich sehr, daß in einem sozialistischen Land wieder die Kommunisten, äh, äh, nicht verfolgt aber ein Kesseltreiben gegen sie gemacht wurde, ich habe es persönlich am eigenen Leibe erlebt, ich bin in Westberlin groß geworden, schon als Schulkind bin ich in der Schule drangsaliert worden, nur weil ich das blaue Tuch der Pioniere getragen hab, später das FDJ Abzeichen, habe darauf hin schlechte Zensuren bekommen, meine Mutter, die auch Kommunistin war, war arbeitslos, ich bekam später keine Lehrstelle, nur weil ich für den Frieden eingetreten bin, und ich hatte auch, äh, leider, äh, das Vergnügen, die Bekanntschaft mit dem ehemaligen, äh, Westberliner Innensenator Lippschitz Bekanntschaft zu machen, bei dem ich mich zu melden hatte, weil ich auf einer Demonstration teilgenommen hab gegen den Krieg in, äh, Neukölln , daß er mich eigenhändig mit Jugendgefängnis bestrafen wollte, wenn er mich noch einmal ertappt, daß ich eine Friedenstaube trage, ich meine das ist doch, äh, schlimm."
ein Berichterstatter:
"Der Sprecher der sudetendeutschen Revanchisten, Altnazi Becher, ruft zu
einer großangelegten Spendenaktion auf. Zweck: Bildung eines Kampffonds
der Landsmannschaften."
Trommelmusik
aus einer Pressekonferenz Ulbrichts mit tschechischen Reportern:
Ulbricht: "Sehen Sie, als wir aus der Presse erfuhren, daß Sie Ihre Pressezensur abgeschafft haben,"
ein tschechischer Übersetzer spricht
Ulbricht: "war man bei uns erstaunt,"
ein tschechischer Übersetzer spricht
Ulbricht: "weil wir sowas nicht kannten,"
ein tschechischer Übersetzer spricht
Ulbricht: "wir haben nie eine Pressezensur gehabt,"
ein tschechischer Übersetzer spricht
Ulbricht: "ja, und Sie sehen, wir sind ganz gut vorwärts gekommen, auch ohne Pressezensur,"
ein tschechischer Übersetzer spricht
Ulbricht: "daß heißt, unsere Methoden waren andere,"
ein tschechischer Übersetzer spricht
Ulbricht: "die Methoden der Partei und Staatsführung waren andere, als sie sich bei Ihnen entwickelt hatten."
die Tschechin zum Besserwisser: "Meint der besser?"
5. Szene
Ein neuer Tag, die Tschechin und der Besserwisser sitzen wieder vor dem Bildschirm. Es wurde berichtet, daß Walter Ulricht zu Gesprächen mit Warschauer Pakt Staaten aufbricht. Auf dem Weg dahin und zurück spricht er mit Bürgern und Pressevertretern.
ein Reporter:
"In Zusammenhang dieser Analyse Walter Ulbrichts über die gegenwärtigen
Möglichkeiten eines Systems europäischer Sicherheit, stellte der Vertreter
des Tschechoslowakischen Zentralorgans Rude Pravo die Frage, ob die DDR für
die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Westdeutschen
Bundesrepublik und den Sozialistischen Staaten sei. Walter Ulbricht
erinnerte den Fragesteller an die vorjährige Konferenz der kommunistischen
und Arbeiterparteien in Karlovy Vary und an die dort verabschiedete
Erklärung."
Ulbricht: "Ihre Frage ist beantwortet in den Beschlüssen von Karlovy Vary."
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "das heißt, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen"
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "zwischen CSSR, Ungarn und Polen"
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "und der Westdeutschen Bundesrepublik"
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "ist gebunden an"
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "die bekannten Bedingungen"
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "das ist,"
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "der Verzicht auf die Alleinvertretungsanmaßung Bonns"
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "die Anerkennung der bestehenden Grenzen"
ein tschechischer Übersetzer spricht einflüsterndes Gemurmel im Hintergrund Ulbricht: "die Verurteilung, äh, des Münchner Abkommens von Anfang an"
ein tschechischer Übersetzer spricht einflüsterndes Gemurmel im Hintergrund Ulbricht: "kein Zugang der Westdeutschen Bundesrepublik zu Kernwaffen" ein tschechischer Übersetzer spricht einflüsterndes Gemurmel im Hintergrund
Ulbricht: "und die Herstellung normaler vertragsmäßiger Beziehungen zwischen den beiden Deutschen -
völkerrechtlich! - vertragsmäßiger Beziehungen zwischen beiden Deutschen Staaten."
ein tschechischer Übersetzer spricht einflüsterndes Gemurmel im Hintergrund
Ulbricht: "Moment"
Ulbricht: "das heißt also, wir fordern, daß die Bonner Regierung ihre Vorbedingungen, die sie bisher
gestellt hat, nämlich Alleinvertretung, und Hallsteindoktrin" ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "daß sie diese Vorbedingungen aufgibt."
die Tschechin zum Besserwisser: "Da stellt eina Bedinglichkeiten, der Andere soll ja ka Bedingung stellen."
der Reporter:
"Walter Ulbricht schlug den anwesenden tschechoslowakischen
Pressevertretern vor, sorgfältig die Vorschläge zu studieren, die am
9.August von unserer Volkskammer der Weltöffentlichkeit und vor allem der
westdeutschen Bundesregierung vorgelegt wurden."
Während des Reiseberichts wird auch gezeigt, wie W.Ulbricht auf Passanten trifft.
ein Patriot (mit junge Stimme, wie vom Blatt lesend): "Für uns Leipziger ist es Ehrensache, mit Hilfe vieler Freunde und Genossen, Ihr kampferfülltes Leben, lieber Genosse Walter Ulbricht, noch besser kennenzulernen. Dabei sind wir mit vielen Genossen zusammengekommen, die an Ihrer Seite kämpften und kämpfen. So lernten wir den Genossen Gustav Graf aus Zwickau kennen. Er erzählte uns, wie er mit Ihnen gemeinsam gegen den deutschen Faschismus kämpfte. Er zeigte uns auch die Stelle, wo die Scheune stand, in der Sie sich vor den Faschisten versteckt halten mußten. Weiterhin lernten wir auch den Genossen Zimmermann kennen, der Ihnen im Arbeiterturnverein Eifel die ersten Klimmzüge beigebracht hat."
ein tschechischer Reporter und W.Ulbricht: Ulbricht: "Wissen Sie, daß es verschiedene Meinungen gibt, ja,"
ein tschechischer Übersetzer spricht Ulbricht: "trotzdem ist es normal, daß man zusammenarbeitet."
ein tschechischer Übersetzer spricht
ein DDR-Reporter aus Prag: "Ja, ich möchte noch mal aufgreifen - die Sicherung des Friedens."
ein anderer DDR-Reporter aus Prag: "Wird Frieden bleiben oder wird, äh, kann der Krieg verhindert werden?"
ein tschechischer Reporter zu W. Ulbricht: "Hier ist in der letzten Zeit nicht nur das Verhältnis zwischen den kapitalistischen Ländern und den sozialistischen Ländern, äh, im Gespräch und sozusagen aber auch das Verhältnis zwischen den sozialistischen Ländern untereinander."
der tschechische Reporter: "und das bleibt so, glauben Sie?"
Ulbricht: "Im Gegenteil, das wird, das bleibt nicht nur so, sondern die, die Gemeinsamkeit wird sich verstärken."
ein Kommentator:
"Wir werden den entschiedensten Kampf gegen die Träger des Revisionismus
führen, die ihre Anstrengungen darauf gerichtet haben, die Partei
ideologisch und organisatorisch zu spalten."
Ulbricht: "Die Prognose ist klar, es handelt sich nur mehr um die Durchführung.""
der Besserwisser zur Tschechin: "Unter Prognose steht im Duden: Vorhersage
des Krankheitsverlaufes."
6. Szene
Eine neue Woche, ein neuer Tag, aufgeregt schaltet der Besserwisser das Fernsehgerät ein, und zwar den Westkanal, nachdem die Tschechin mit der Nachricht heimkam, die Russen seien in ihrer Heimat einmarschiert.
ein BRD-Nachrichtensprecher:
"... acht Tage später, am 21. August, überschritten bei Nacht und Nebel
Panzer der DDR Armee die tschechoslowakische Grenze gemeinsam mit
Streitkräften der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens."
ein BRD-Kommentator:
"Gestatten Sie mir schließlich noch eine Bemerkung, Ulbricht beruft sich in
seinem Interview immer wieder auf die neue Verfassung der DDR. Ich möchte
Ihnen einen Satz aus dem Artikel 8 dieser Verfassung zitieren, der lautet:
"Die Deutsche Demokratische Republik wird niemals einen Eroberungskrieg
unternehmen, oder ihre Streitkräfte gegen die Freiheit eines anderen Volkes
einsetzen.""
ein BRD-Journalist:
"Die tschechoslowakische Bevölkerung verhält sich entsprechend den Aufrufen
Ihrer Partei und Regierungsführung im großen und ganzen ruhig. Vor allem
in Prag und Preßburg kam es jedoch zu Demonstrationen, mehrere Menschen
sollen getötet, mindestens 25 verletzt worden sein, als Panzer der
Besatzungstruppen auf Demonstranten schossen. Die Schießereien in Prag
haben nach den jüngsten Korrespondentenberichten in den letzten Stunden
zugenommen. Das Parteipräsidium der Tschechoslowakischen KP tagt seit der
vergangenen Nacht im Gebäude des Zentralkomitees, das Haus ist ebenso wie
die Prager Burg, der Amtssitz von Staatspräsident Swoboda, von starken
Einheiten der Besatzungstruppen umstellt."
ein BRD-Journalist aus Prag:
"Russische Truppen kommen gerade ins Haus, Barrikaden sind errichtet worden
am Wenzelsplatz und in der Weingartenstraße, das ist die Straße, die zum
Rundfunk führt, ich höre deutlich die Schüsse im Rundfunk,
Maschinengewehrsalven, Leute geht auseinander, ruft der Sprecher, leistet
keinen Widerstand, es hat keinen Sinn, bitte vermeidet Blutvergießen."
das Geräusch von Kettenpanzern und Schüssen ist zu hören.
die Tschechin zum Besserwisser: "Aber schalt doch um, herüben ist das doch alles wirklich wirklicher."
der DDR Nachrichtensprecher:
"Die Sowjetregierung und die Regierungen Bulgariens, der DDR, Polens und
Ungarns entschlossen sich, ausgehend von den Prinzipien der unzerstörbaren
Freundschaft und Zusammenarbeit, und im Einklang mit den bestehenden
vertraglichen Verpflichtungen, der erwähnten Bitte um die notwendige
Hilfeleistung für das tschechoslowakische Brudervolk zu entsprechen.
Sowjetische Militäreinheiten haben gemeinsam mit Militäreinheiten der
genannten verbündeten Länder heute das Territorium der Tschechoslowakei
betreten.
ein DDR-Reporter aus Prag:
"...sowjetische Soldaten tätlich anzugreifen, peitschten Warnschüsse durch
die Straßen, es wird also Zeit, daß sich alle besonnen Kräfte um die dem
Sozialismus treu ergebenen Friedensgaranten scharen, um den Terror und das
Blutvergießen der Konterrevolution endgültig zu beenden."
ein Kommentator:
"Die Klassenbrüder der verbündeten Armeen sind in diesem Kampf die Garantie
für den Sieg."
ein Berichterstatter:
"Der Neubrandenburger LBDP Bezirksvorsitzende Manfred Eisner erklärte: in
diesen Stunden und Tagen fühlen wir uns besonders eng mit den Werktätigen
der CSSR verbunden, und versichern ihnen unsere Freundschaft und umfassende
Hilfe."
7. Szene
Am nächsten Tag, der Besserwisser zur Tschechin: "Bin neugierig, wie die das alles begründen werden!"; und er schaltet ein.
ein Kommentator:
"Nach wie vor erhalten wir aus allen Kreisen der DDR Bevölkerung
Zustimmungserklärungen zu den Moskauer Beschlüssen."
eine junge Passantin:
"Mit den konterrevolutionären Kräften muß schnellsten Schluß gemacht
werden. Denn jeder Tag Verzögerung bringt dem Brudervolk der CSSR große
Verluste".
ein junger Passant:
"In den letzten Tagen hat man gemerkt, daß das sozialistische Lager
politisch, ökonomisch und militärisch stark sein muß."
ein Zeitzeuge: "Damit hat die neue Bonner Ostpolitik eine weitere entscheidende Niederlage erhalten."
ein älterer Passant: "Für mich ist die Freundschaft zur Sowjetunion das wichtigste, was in der gegenwärtigen Zeit für den Aufbau des Sozialismus benötigt wird."
eine junge Passantin:
"Unser Kollektiv in der Endmontage verurteilt schärfstens die
konterrevolutionären Umtriebe in der CSSR. Wir meinen, daß es ArbeiterSache
und Arbeiter-Ehre ist, schnellstens damit Schluß zu machen."
ein alter Antifaschist:
"Die Jahre 1933 und 38 haben sich unauslöschlich in mein Gedächtnis
eingegraben. Es ist keine Übertreibung, bei den bestürzenden Meldungen aus
Prag in den letzten Wochen konnte ich mich der Vision von
Bundeswehrsoldaten bei Zinnwald nicht erwehren. Bekannte erzählten mir, daß
sie bei einem Besuch in der CSSR von westdeutschen Touristen mit dem HorstWessel
-Lied provoziert wurden. Wo sollte das alles hinführen. Als geborener
Oberschlesier habe ich die Unersättlichkeit des deutschen Imperialismus zur
Genüge kennengelernt. Er ist unser Gegner und nicht nur unserer, an welcher
Grenze er sich auch zeigt. Man möge es mir daher nicht verübeln, wenn ich
diese Ereignisse mit den Augen eines deutschen Antifaschisten betrachte,
mögen andere, vor allem meine Freunde in der CSSR, sich solchen
Erkenntnissen und Erfahrungen nicht verschließen."
ein Parteigenosse:
"Ich möchte sagen, daß aufgrund der Zuspitzung der Situation durch die
antisozialistischen und konterrevolutionären Kräfte, es höchste Zeit war,
diese Maßnahmen unserer Bruderparteien durchzuführen.
ein älterer Jungmann:
"Also ich kann diesen Schritt der Bruderarmeen nur befürworten, daß die so
rechtzeitig und schnell gehandelt haben, denn 1956 hatten wir es gesehen,
daß viele gute Genossen in Ungarn umgebracht wurden. Und daß dieser Schritt
richtig war, sieht man an der Propaganda, die jetzt durch Fernsehen und
Rundfunk von den Imperialisten geführt wird."
ein Reservist: "Als Reservist der nationalen Volksarmee habe ich wieder einmal gesehen, äh, wie wichtig es doch ist, wachsam zu sein, um auch wirklich den Schutz des Sozialismus zu garantieren."
ein Patriot:
"Ich möchte sagen, hier zeigt sich deutlich, der proletarische
Internationalismus, und auch in unserer Republik haben wir ja gut erkannt,
daß wir durch die Erfüllung unserer Pläne, die gute Vorbereitung des 20.
Jahrestages unserer Republik im sozialistischen Wettbewerb, dazu beitragen
können, den Frieden in Europa zu sichern und damit zur weiteren Stärkung
unseres sozialistischen Lagers beizutragen."
ein Arzt:
"Ich hatte vor 12 Jahren 1956 die Gelegenheit, als Arzt in Ungarn das Ende
der Konterrevolution mitzuerleben, in dem ich Verwundete und die
Hinterbliebenen mit abtransportieren mußte. Damals konnte ich mich mit
Augen, mit eigenen Augen davon überzeugen, wie furchtbar der Mobterror der
Konterrevolutionäre gewütet hat. Es wurden damals nicht nur die aufrechten
Kommunisten abgeschlachtet, sondern auch noch ihre Familienangehörigen,
ihre Frauen an Bajonetten aufgespießt, Kinder aus oberen Stockwerken
geschmissen, oder verbrannt. Diese Erinnerung kam mir wieder, als ich jetzt
die Entwicklung in der tschechoslowakischen Republik beobachten konnte.
Und, ich muß als Mediziner sagen, es war die einzige mögliche Form der
Prophylaxe, vorbeugend zu sein, indem fünf Bruderländer den aufrechten
Patrioten in unserer tschechoslowakischen Republik halfen."
ein alter Kämpfer:
"Für mich ist das eine klassenmäßige Selbstverständlichkeit, daß die fünf
ZK's, und die fünf Ministerräte, die sich entschlossen haben dem
tschechoslowakischen Volke Hilfe zu leisten. Die Entwicklung in den letzten
Tagen hat bewiesen, wie weit die Konterrevolution schon fortgeschritten
war, und ich sehe in dieser Hilfeleistung eine Fortsetzung der guten
Tradition der Abwehr des K-Putsches, das heißt, des Reichsvereins in
Chemnitz der, äh, der, der Interbrigaden des roten Ruhrkampfes."
ein Patriot:
"Meine Meinung ist die, daß es jetzt für uns in der gegebenen Situation
darauf ankommt, unsere Klassenbrüder vor allem dort zu unterstützen, durch
unsere eigenen Taten hier in der Republik, wir tun das in der Produktion,
in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, bei uns im Kreis zum
Beispiel wurden Kandidaten für die Partei gewonnen, neue, wurden
Verpflichtungen für Soldaten auf Zeit bekannt, sodaß wir in dieser diese
Art und Weise moralische Unterstützung für unsere Klassenbrüder in der CSSR
geben. Damit glauben wir auch die militärische Unterstützung der
Bruderarmeen unserer Länder den nötigen Rückhalt zu geben, um damit direkt
auch die Waag in das Schiff zu verhindern."
der Besserwisser: "Ich schalt wieder um."
ein westdeutscher Journalist bei der Prager Burg: "Spricht jemand von Ihnen deutsch bitte?"
ein Tscheche: "Ja bissal, was mechten Sie ham?"
der Journalist: "Warum sind Sie hier heraufgekommen?"
der Tscheche: "Weil wir mechten begrüßen den unsere Präsident und die unsere Staatchefen"
der Journalist: "Wissen Sie was in Moskau war?"
der Tscheche: "Ja das wissen wir aber wissen nicht was ist da abgehandelt bis jetzt"
Gesprächspause
der Tscheche: "Ich mechte noch was sagen, vor dreißig Jahre war das einer
mit Schnurrbart, und jetzt die Tage einer
mit an Spitzbart. Ja?"
ein anderer Tscheche: "Aber ik hab dann, vor dreiundzwanzig Jahre hab gesagt, Faschismus, Nazismus und
Kommunismus, das is dasselbe, das is wie Arktide und Antarktide. Jo so
weit und so ähnlich."
die Tschechin zum Besserwisser: "Du mit daine Westler, schalt doch zurick."
ein Historiker:
"Wer nachdachte, was seine Klasseninteressen für die Klasseninteressen für
die der Arbeiter bedeuten und damit die des Volkes, die des Lehrers
nebenan, des Wissenschaftlers, des fleißigen Landarbeiters, wer darüber
nachdachte, der sprach vom Tag der Befreiung, wenn sowjetische Panzer
kamen."
der Kommentator:
"Die Völker der CSSR, wird in der Erklärung festgestellt, haben es nicht
verdient, daß sie von prinzipienlosen Politikern in eine solche Gefahr
gebracht worden sind."
bedrohliche Musik erklingt und bleibt im Hintergrund des folgenden Beitrags.
ein Reporter:
"Wir grüßen sie, wir hoffen und wünschen, aus dieser sozialistischen
Hauptstadt eines sozialistischen Staates, daß dem Sozialismus wieder der
Weg gebahnt wird. Das ist unsere Sorge, das ist unser Anliegen, das ist
unsere Hoffnung und das ist auch der Unterpfand des Sieges des Sieges der
sozialistischen Idee gegen die Barbarei des Imperialismus, der in Europa
schon so schreckliches Unheil angerichtet hat."
ein Reporter:
"Mit ihrem Liberalisierungsgeschwätz haben die Prager Reformer versucht,
diese Klassenfragen zuzukleistern, und sie landeten folgerichtig in der
Umarmung der Bonner Revanchisten, sie besorgten die Geschäfte der
Konterrevolution."
Herlt:
"Nun also ist der Zustand beendet, der Zustand der sogenannten
Pressefreiheit, die nichts anderes bedeutete als Freiheit für
Konterrevolutionäre und Unfreiheit für Sozialisten, und wir sind in Prag
wieder der Normalisierung ein Stück näher gekommen."
Das Abendmagazin, die Beteiligten in der Pose einer Siegesfeier und der Rekapitulation.
ein Ansager:
"Günther Herlt, der sich an Sie wenden wird, hat sich vorgenommen so eine
Art Bilanz zu ziehen."
der Ansager:
"Meine Damen und Herren ich bitte Sie einen kleinen Moment um Geduld, wir,
der Ansager:
So, bitte um Entschuldigung für diese kleine Störung, Sie hören ab jetzt,
meine Damen und Herren, den angekündigten Kommentar von Günther Herlt, der,
wie gesagt, eine kleine Bilanz ziehen will."
Herlt:
"So langsam erfaßt mich so etwas wie Mitleid mit den Schwätzern vom Dienst
im Westkanal. Jahrelang durften sie über Prag nur berichten, daß die
goldene Stadt dunkelgrau ist, und daß ihre Bewohner Löcher in den
Wollsocken haben. Seit Jahresbeginn 68, durften sie dann den Pragern
bescheinigen, daß sie eigentlich das sozialistischste sind was es gibt, und
daß einige Dummköpfe, bei Osram Licht betrachtet, rechte Genies sind, die
man unterstützen muß. Dann wurden sie von Brandt und Kiesinger
zurückgepfiffen, weil die Herrn des Geheimdienstes meinten, man dürfe nicht
zuviel über die Zutaten verraten, ehe die schwarz-rosa'ne Brühe gargekocht
ist. Nun haben wir einen Deckel auf diesen Topf gelegt und den Haupthahn
zugedreht, da müssen die Vertreter der Westjournaille die Fehlspekulation
ihrer Chefs seit gestern damit kontern, daß sie uns Fehlspekulationen
andichten.
Zugegeben, wir haben falsch spekuliert, ich zumindest, ich habe die Göbbelserben und Ostspezialisten der Bonner Propaganda nach den Niederlagen von 1953, 56 und 61 für klüger gehalten. Aber das ist auch schon der einzige Irrtum und damit steht es 1 : 10, denn was die Leute in Bonn so peinigt ist ja die Erkenntnis, daß es mindestens 10 mal anders kam, als sie dachten.
Bonn glaubte erstens, daß man irgendwie die Aufmerksamkeit des Pentagon von Vietnam nach Europa lenken könnte und häufte fleißig Pulver um Prag. Wir haben die Lunte ausgetreten. 1 : 0.
Bonn glaubte zweitens, daß im Zuge der Ereignisse auf lange Sicht die Nato ihre Stiefel von der Rheinischen Pfalz bis in die slowakischen Karpaten vorschieben könne. Wir haben der Nato auf die Zehen getreten. 2 : 0.
Bonn glaubte drittens, mit dem gezielten Manöver Schwarzer Löwe in Grenznähe der CSSR, den Konterrevolutionären Kräften zuarbeiten zu können. Wir haben dem Schwarzen Löwen einen T 54 auf den Schwanz gestellt, nun kann er nicht mehr so große Sprünge machen. 3 : 0.
Bonn glaubte viertens, daß der Sozialismus um 14 Millionen Menschen ärmer wird, wenn das Land in die Arme des Imperialismus getrieben wird. Wir haben ihnen die Grenzen ihrer Macht verdeutlicht. 4 : 0.
Bonn glaubte fünftens, daß auf jeden Fall ein wurmstichiger Sozialismus genügend Löcher für die politischen und ökonomischen Giftspritzen des Kapitals lassen wird. Mir scheint, diese Löcher werden zugekittet. 5 : 0.
Bonn glaubte sechstens, daß die Sowjetunion allein die Rettung des Friedens und des Sozialismus besorgen müsse, es sind jedoch jene 5 Länder beteiligt, die die Hauptkraft des Sozialismus in Europa verkörpern, und die mit einem gemeinsamen Befehlsstab kollektive Selbstverteidigung und kameradschaftliche Hilfe für jene tschechoslowakischen Partei- und Staatsführer üben, die sie gerufen haben. 6 : 0.
Bonn glaubte siebentens, daß ein solches Eingreifen rechtzeitig von den hunderten Agenten und Journalisten der Westmächte signalisiert werden würde. Aber, der amerikanische Außenminister erfuhr erst vom sowjetischen Botschafter von dem Vollzug der Hilfsaktion. Der Geheimdienst kam 4 Stunden später, mir ratlosen Gesichtern, über soviel Präzision und Tempo der sozialistischen Truppenverbände. 7 : 0.
Bonn glaubte achtens, daß die Tschechen und Slowaken sich gegen die Panzer der Bruderarmeen auflehnen würden. Die Bilder und Berichte aus allen Teilen des Landes zeigen jedoch, daß 90 von 100 Passanten sich anlehnen an die Panzer, um ruhig mit der Besatzung plaudern zu können, über Wege und Irrwege zur glücklichen Zukunft. 8 : 0.
Bonn glaubte neuntens, mit Falschmeldungen über Verhaftungen und Internierungen führender tschechoslowakischer Politiker Unruhe im Land stiften zu können, aber gestern Abend konnte die Welt in unserem Fernsehen zuschauen, wie etliche der als verhaftet und ermordet gemeldeten in Moskau mit Ehrensalut und Bruderkuß empfangen wurden, um sachliche Diskussionen über die weiteren Maßnahmen zu führen. 9 : 0.
Und Bonn glaubte zehntens, es müsse doch möglich sein, mit illegalen Sendern und aufgeputschten Horden im ganzen Land Krawalle zu organisieren. Aber, von den 14 Millionen Einwohnern des Landes mögen vielleicht 140000 an den Ecken stehen, davon die Mehrzahl in Prag. Aber der von Springer so hochgespielte Generalstreik gestern bestand offensichtlich darin, daß in der Mehrzahl der Betriebe wie jeden Tag von 12 -1 Mittagspause machten. Wenn Springer daß als Sieg feiern möchte, dann hat Westdeutschland jeden Tag einen einstündigen Generalstreik gegen die Volksverdummung. 10 : 0.
Verzeihung, nicht 10 : 0, ich sagte ja 10 : 1, denn in einem Punkte haben wir tatsächlich falsch spekuliert, wir haben die Westjournaille nicht für so blöd gehalten, wie sie sich beim Thema Fehlspekulation zeigt."
Atempause; der Besserwisser zur Tschechin, kopfschüttelnd: "Hat man Worte."
ein Nachrichtensprecher zum Reporter in Prag: "Gerd Edelmann, konnten Sie etwas über die Steuerung dieser konterrevolutionären Tätigkeiten beobachten, persönlich?"
Edelmann (sächselnd):
"Natürlich kann man, das war ganz offensichtlich, ich will, wir haben ja
wenig Zeit, aber ein Zentrum möchte ich hier nennen, das ist das Hotel
Jalta auf dem Wenzelsplatz. Dort ist bekanntlich die westdeutsche
Handelsmission, soweit ich informiert bin, und soweit offiziell bekannt
ist, sind es kaum eine Hand voll Mitarbeiter, die diese Handelsmission
besitzt, aber vor diesem Hotel standen z.B. gestern Nachmittag um 16 Uhr,
27 westdeutsche Fahrzeuge, davon ungefähr 10 mit den Dienststellen
ausländischer Herkunft, also die XX Nummern, die in Prag bekannt sind, die
gelben Schilder, der Rest waren also Wagen aus Dortmund, und aus
Düsseldorf, aus Mannheim, aus Frankfurt, aus verschiedenen Gegenden. äh,
interessant war vielleicht, daß der Wagen mit XX9123 ein moderner BMW, in
seiner Innenscheibe vorn und hinten konterrevolutionäre Flugblätter
angeklebt hatte, und so zum Mittelpunkt demonstrativer Ansammlungen um die
der westdeutschen Handelsvertretung zu bilden. Außerdem war noch
interessant für mich, daß zwischen dieser Autokolonne mehrere
tschechoslowakische Fahrzeuge waren, man erkennt die ja an den Buchstaben
der einzelnen Städte. Da war zu Beispiel ein Wagen aus Most, das ist das
Braunkohlenzentrum. Da war ein Wagen aus Hradec Kralowe, ein großes
Industriezentrum, Maschinenfabriken vor allem, ein Wagen aus Mlada
Boleslaw, wo die Automobilfabriken sind, und ein Wagen aus Teplice, wo also
das nordböhmische Industrierevier ist. Es fällt eigentlich schwer, nicht zu
glauben, daß das Fahrzeuge sind, die einen regen Verkehr zwischen dieser
Mission und den Gebieten, äh, der tschechoslowakischen Republik
aufrechterhalten."
die Tschechin zum Besserwisser: "natirlich kann man, das war ganz offensichtlich!"
ein Nachrichtensprecher:
"Die Moskauer Prawda analysiert heute die Spekulationen und
Fehlkalkulationen der Feinde des tschechoslowakischen Volkes, und verweist
in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Einmischung Bonns in die
inneren Angelegenheiten des tschechoslowakischen Volkes."
ein Parteigenosse:
"Deshalb möcht ich sagen, wenns auch manche Leute im Augenblick nicht
begreifen werden, wir Genossen in der KPC und die Soldaten der 5 Länder,
die ihre Pflicht erfüllen, handeln nicht nur im Interesse des
tschechoslowakischen Volkes, nicht nur im Interesse der anderen
sozialistischen Länder, sondern im Interesse aller europäischen Völker. Das
ist vielleicht in solch einer wirren Situation ein bissl schwer zu
begreifen, ich bin sicher, daß das sehr schnell von den Völkern Europas
begriffen wird. So wie damals 1956 in Ungarn schließlich auch viele sehr
bald begriffen haben, daß die Vernichtung der Konterrevolution zugleich
eine Sache war, die unmittelbar dem Frieden und der Sicherheit des
Auslandes diente."
der Nachrichtensprecher:
"Die DDR reiche der Arbeiterklasse, den Genossenschaftsbauern, der
fortschrittlichen Intelligenz und allen Werktätigen der benachbarten
Tschechoslowakei die Bruderhand. Wir schätzen die mutige und
verantwortungsbewußte Handlungsweise der dem Sozialismus treu ergebenen
Persönlichkeiten der Partei und des Staates der CSSR hoch ein. Da ihre Tat
den aggressiven Kreisen des Imperialismus, die mit Hilfe der sogenannten
neuen Ostpolitik die Konterrevolution in die sozialistischen Länder Europas
exportieren möchten, einen Strich durch die Rechnung macht."
der Nachrichtensprecher:
"Presse, Rundfunk und Fernsehen der Bulgarischen Volksrepublik beschäftigen
sich heute unter anderem auch mit der geheuchelten Anteilnahme der
westlichen Journaille zu den Ereignissen in der CSSR. So berichtet Joachim
Römer aus Sofia: "Die Zeitungen beschäftigen sich ausführlich mit den
Krokodilstränen, die man in Bonn über die angebliche Gewaltanwendung
gegenüber der CSSR vergießt und bemerkt, wer sind diese angeblichen
Verteidiger dieser so hohen nationalen Werte, sind es nicht diejenigen, die
in einem Vertrag den amerikanischen Okkupanten die Unabhängigkeit der
Bundesrepublik für ein ganzes Jahrhundert verkauft haben. Natürlich hat man
hier in Sofia auch Kenntnis genommen von der Hetze, die gegenwärtig gegen
unsere Bruderländer betrieben wird. Aber hier ist der Mann in Sofia auf
der Straße der Meinung, es ist besser das Wutgeheul, als das Triumphgeheul
der imperialistischen Kräfte zu hören.""
der Nachrichtensprecher:
"Selbst westdeutsche Reporter vermerkten es, mit gemischten Gefühlen: der
Ofen ist aus. Allerdings, er schwelt noch."
Ein Bänkelsänger singt im Stil einer Ballade zu einer sehr rhythmischen Musik:
(dissonanter Trompetenstoß)
Kaiser Fahnen und Verrat
Ruhm und Glorienschein
Kriege die sind gottgewollt
impfte man uns ein
später hieß es Freiheit Recht
hoch die Republik
alle Menschen die sind gleich
Krause, Lehmann, Flick
Und die uns das sagten
haben eiskalt gezielt
mit unserer Sehnsucht
und Hoffnung gespielt
(dissonanter Trompetenstoß)
Führer Fahnen und Verrat
zackig national
voller Feinde war die Zeit
glücklich wieder mal
Macht ist Hitlers blankes Schwert
niemand hält ihn auf
das Dritte wird das größte Reich
das ist des Schicksals Lauf
Und die uns das sagten
die legten den Brand
zum Heil der Konzerne
mit eigener Hand
(dissonanter Trompetenstoß)
Kaiser Weimar Hitler Bonn
das war wohl durchdacht
die Fassade wechselte
aber nie die Macht
Schlotbaron und General
stehen treu vereint
sie waren und sie sind noch heut
derselbe Klassenfeind.
Es erklingt die Nachrichtenfanfare des DDR Fernsehens.
Der Besserwisser schaltet das Fernsehgerät ab.
letzte Änderung 24.11.2014